12. Dezember 2019

„Ich werde mich auch dieses Mal zurückkämpfen“ 

Im Interview mit der Deutschen Triathlon Union

12. Dezember 2019 | Im Interview mit der Deutschen Triathlon Union

„Ich werde mich auch dieses Mal zurückkämpfen“

 

DTU: Das Sportjahr 2019, es war nicht das Jahr der Anja Knapp (Dettingen/Erms). Negativer Höhepunkt war, als Sie Mitte Juli im Training von einem Auto angefahren wurde. Sie brach sich zwei Rippen, sowie den Ellenbogen und musste auf die Intensivstation. Wir haben mit ihr über die langwierigen Folgen eines Unfalls, Olympia-Hoffnungen und einem Rennen gegen die Zeit gesprochen.

DTU: Anja, nach so einem Jahr muss die Frage erlaubt sein: Wie geht es dir?

Danke der Nachfrage. Ich bin langsam wieder auf dem Weg der Besserung, soll heißen meine strukturellen Verletzungen, insbesondere mein gebrochener Ellenbogen, machen im Heilungsprozess gute Fortschritte. Dennoch wirkt der Unfall nach. Dysbalancen und motorische Störungen kommen nun peu à peu zum Vorschein seit ich wieder mit dem Training begonnen habe. Mein Körper gibt mir schon des Öfteren zu verstehen: „Sorry hier stimmt etwas noch nicht.“ Aber grundsätzlich habe ich von den Ärzten grünes Licht. Und motiviert bin ich sowieso immer, kann es kaum erwarten bis es endlich wieder so richtig los geht. Für mich gilt: Was passiert ist kann ich nicht ändern. Aber ich kann beeinflussen, wie ich damit umgehe.

DTU: Du kannst immer noch nicht so trainieren, wie du das möchtest …

Es wäre vermessen davon auszugehen, dass ich vier Monate nach einem solchen Sturz wieder regulär trainieren könnte. Dessen bin ich mir bewusst. Vor allem das Schwimmen fällt mir auf Grund der technischen und motorischen Anforderungen im Moment noch schwer. Beispielsweise gelingt die Ansteuerung meines linken Arms bisher noch nicht wie gewollt. Radfahren hingegen war recht schnell wieder möglich. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen war ich wieder auf dem Rollentrainer aktiv. Zunächst einarmig, aber um mich zu belasten völlig ausreichend. Als Leistungssportler findet man immer irgendwie einen Weg, auch wenn der zuweilen bei Unbeteiligten für Kopfschütteln sorgt. Aber es stimmt: Ich brauche noch Zeit um mein gewohntes Trainingsniveau zu erreichen.

DTU: Für solch eine Situation benötigt man Durchhaltewillen und Kampfgeist. Sind das Dinge, die dich auszeichnen?

Ja, absolut. Ich hatte in der Vergangenheit des Öfteren Rückschläge hinnehmen müssen und habe mich immer wieder zurückgekämpft. So wird es auch dieses Mal sein. Ohne die erwähnten Attribute wären die vielen Jahre auf Top-Niveau nicht möglich gewesen. Andere Athleten verfügen über bessere körperliche Voraussetzungen, aber Vieles wird auch im Kopf entschieden.

DTU: Fängt man dann irgendwann an, die Tage bis Olympia zu zählen?

Mit Hinblick auf das olympische Qualifikationsrennen Ende Mai muss man klar sagen, dass die Zeit drängt. Mir wäre es auch lieber ich könnte nochmals einen langfristigen Trainingsaufbau absolvieren, jedoch wird dies nur eingeschränkt möglich sein. Der Körper nimmt sich die Zeit die er braucht um zu regenerieren. Für mich wird entscheidend sein, den richtigen Weg zu finden zwischen ruhigem Aufbau im Grundlagenbereich und intensiven, wettkampfspezifischen Belastungen um dann irgendwann im Frühjahr 2020 All-In zu gehen. Mit Dan Lorang weiß ich den richtigen Coach an meiner Seite, der mich zielgerichtet steuern und vorbereiten wird. Ich bin selbst gespannt, was wir in der Kürze der Zeit erreichen können.

DTU: Wie gehst du damit um?

Es gibt Tage an denen ich denke das schaffe ich rechtzeitig. Ich brauche nur zwei, drei Monate, in denen ich richtig trainieren kann. Dann gibt es wiederum Tage, an denen scheint Olympia ganz weit weg zu sein. Das Wichtigste ist Vertrauen in deinen Weg und Zuversicht es schaffen zu können.

DTU: Was gibt dir Kraft und motiviert dich?

Die Antwort ist ganz einfach: Ich liebe was ich tue, jeden Tag.

DTU: Bist du aus deutscher Sicht der Triathlon-Pechvogel des Jahres?

Bei jedem läuft es irgendwann mal nicht so rund. Bei mir kam einfach innerhalb eines Jahres alles zusammen. Im Frühjahr der Muskelfaserriss, dann Gewichts- und somit Substanzverlust durch Training in der Höhe, ein platter Reifen beim WTS-Rennen in Hamburg und als Kirsche auf der Torte noch angefahren von einem Auto. Man kann also durchaus von einem Seuchenjahr sprechen. Aber der Blick geht nach vorne. Was war, kann ich nicht mehr rückgängig machen. Und es kostet zu viel Energie darüber nachzudenken, „was wäre gewesen wenn“. Es liegt an mir was ich daraus mache. Wenn ich es schaffe mich nach all den Rückschlägen wieder aufzurappeln, dann ist auch sportlich alles möglich. Wenn etwas kaputt geht, besteht auch immer die Chance etwas Neues daraus aufzubauen.

DTU: Hast du in den letzten Monaten über ein Karriereende nachgedacht?

Nicht auf Grund der sportlichen Rückschläge, sondern vielmehr weil ich meiner Familie, meinem Freund, meinem Freundeskreis nicht noch einmal solch ein Jahr zumuten will. Auf der anderen Seite gibt mir deren Zuspruch Kraft das scheinbar Unmögliche doch noch möglich zu machen.

DTU: Es ist wohl deine letzte Olympia-Chance?

Wenn ich bei einem Rennen an der Startlinie stehe, dann möchte ich zu 100 Prozent konkurrenzfähig sein. Habe ich dieses Gefühl nicht mehr, dann ziehe ich daraus meine Schlüsse und werde mich verändern. Jedoch habe ich diesen Eindruck im Moment nicht und somit liegt der Fokus klar auf der Qualifikation für Tokio. Was danach kommt, steht dann auf einem anderen Blatt.

DTU: Was würde es dir bedeuten, bei Olympia dabei zu sein?

Es wäre die Erfüllung eines Traums, den ich seit Beginn meiner Leistungssportkarriere immer irgendwo im Kopf habe, eben das Größte was man in seiner Sportart erreichen kann. Allerdings will ich mich nicht ausschließlich daran messen lassen. Dafür gab es zu viele tolle Momente, Erlebnisse und Erfolge in den letzten Jahren. Aber es würde den Kreis für mich schließen.

DTU: Gibt man als Athlet in einer olympischen Saison noch einmal mehr, kämpft mit allem für das große Ziel?

Es wäre kein Traum, wenn ich dieses Ziel ohne Anstrengung erreichen könnte. Aber es stimmt, die Bereitschaft ans Limit zu gehen fällt leichter mit diesem Highlight vor Augen.

 

Interview: Thorsten Eisenhofer